Online-Assessments als Instrument der Personalvorauswahl

Der Einsatz von internetbasierten Diensten in diversen Unternehmensbereichen stellt nach wie vor einen wachsenden Anwendungsbereich in Deutschland und weltweit dar. Auch im Bereich des Recruitings verlagern Unternehmen immer größere Anteile der Prozesskette auf internetgestützte Verfahren. Der demografische Wandel hat in Deutschland u. a. zur Folge, dass es zu einem steigenden Wettbewerb um Talente kommen wird bzw. bereits gekommen ist. Dieser wird zunehmend online ausgetragen, da sich die Bewerberschaft im Internet berufliche Orientierungs- und Informationsangebote einholt.

Es findet eine Verlagerung und Verlängerung der eRecruiting-Prozesskette statt. Um von potenziell geeigneten Kandidaten als möglicher Arbeitgeber überhaupt in Erwägung gezogen zu werden, nutzen Unternehmen das Internet im Rahmen von Online-Employer-Branding-Maßnahmen, sie suchen aktiv über Online-Jobboards und stellen zur inhaltlichen Orientierung Self-Assessments zur Verfügung. Diese Prozessschritte dienen in erster Linie der Selbstauswahl. Die nächsten drei Schritte Online-Bewerbermanagementsysteme, Online-Assessments und Online-Videointerviews dienen klassischerweise der Fremdselektion – also der Auswahl geeigneter Kandidaten durch das Unternehmen.

Allgemein ist die Auswahl als ein gegenseitiger mehrstufiger Prozess zwischen potenziellen Bewerberinnen/Bewerbern und Unternehmen zu verstehen. Das Online-Assessment ist ein Bestandteil der gesamten eRecruiting-Prozesskette.

eRecruiting Prozesskette

Über Selbst- und Fremdselektion

Die Bedeutung der Selbstauswahl mit Self-Assessments
Die Selbstauswahl, also die Entscheidung, ob sich ein Kandidat bewirbt, ist eine immer wichtiger werdende Einflussgröße auf die Personalauswahl. Um die Selbstauswahl zu verbessern, sollte ein möglichst realistischer Eindruck eines Unternehmens und/oder eines Jobs geschaffen werden. Dies gelingt durch eine enge Verbindung von Online-Personalmarketing und der Kandidatenpassung – z. B. in Form eines Self-Assessments, bei dem die Kandidaten ihre Erwartungen an ein Unternehmen, einen Job oder einen Ausbildungsplatz mit der Realität abgleichen können.

Zusammenhang Fremd- und Selbstselektion

Was ist ein Self-Assessment?
Unter Self-Assessments werden internetgestützte Übungen verstanden, die berufstypische Situationen in Form von Selbsttests abbilden und so simulative, erlebbare Einblicke in das Unternehmen oder den Berufsalltag geben. Die Bearbeitungsergebnisse des Self-Assessments werden automatisch ermittelt und ausschließlich dem Kandidaten rückgemeldet. Dies dient der Verbesserung der Selbstauswahl, indem es dem Kandidaten helfen kann, sich für oder gegen eine Bewerbung in einem Unternehmen zu entscheiden. Die Teilnahme an einem Self-Assessment ist freiwillig und in der Regel anonym.

Was ist ein eAssessment?
Unter dem Oberbegriff eAssessment oder Online-Assessment wird ein Instrument zur internetgestützten Bewerber(vor)auswahl verstanden, bei dem verschiedene eignungsdiagnostische Testverfahren zur Beurteilung und Vorhersage der beruflichen Eignung zum Einsatz kommen. Die grundsätzliche Zielsetzung ist dabei die eignungsdiagnostische Überprüfung auswahlrelevanter Personenmerkmale – typischerweise im Kontext der Vorauswahl. Das bedeutet, dass die Bewerber identifiziert werden, die im Vergleich über eine deutlich niedrigere Ausprägung in anforderungsrelevanten Merkmalen verfügen. eAssessments kommen mittlerweile branchenübergreifend in verschiedensten Bereichen zum Einsatz – angefangen bei der Azubi- und Studienplatzauswahl bis hin zur Auswahl von Trainees und Direkteinsteigern.

Warum ist es für Unternehmen sinnvoll, eAssessments einzusetzen?
Aus Sicht der Unternehmen ergibt sich eine Reihe von Vorteilen für den Einsatz von eAssessments. Zu nennen sind hierbei vor allem:

  • Zeit- und Kostenersparnis in der Vorauswahl
  • Qualitätsverbesserung und Steigerung der Trefferquote/inkrementellen Validität
  • Standardisierung und Erleichterung des internen Workflows
  • Recrutainment und Unternehmensindividualität

Welche Testverfahren werden im eAssessment eingesetzt?
Um zukünftigen Berufserfolg optimal vorherzusagen, sollten bei der Auswahl (auch beim Einsatz von eAssessments) grundsätzlich möglichst verschiedene berufs- und eignungsrelevante Verfahren systematisch kombiniert werden. Dadurch lässt sich erreichen, dass eine möglichst große Bandbreite relevanter Facetten erfasst wird.
Im eAssessment liegt der Schwerpunkt entsprechend dem individuellen Anforderungsprofil des Einstiegsbereichs beispielsweise häufig auf der Bestimmung der berufsbezogenen kognitiven Leistungsfähigkeit sowie von Persönlichkeitsaspekten oder Basiskenntnissen in berufsrelevanten Bereichen wie Englisch, Mathematik oder technischem Verständnis. Es werden in erster Linie also Konstrukte gemessen, die auch in verschiedenen einschlägigen Metaanalysen als prognostisch valide zur Vorhersage von Berufserfolg bzw. Studienerfolg eingeschätzt werden. Folgende personaldiagnostische Verfahren stellen dabei den Hauptteil der für den Online-Einsatz geeigneten Testinstrumente dar:

  • Kognitive Leistungsverfahren
  • Kenntnis- und Wissensverfahren
  • Persönlichkeitsverfahren
  • Simulationsverfahren

Bsp: Sprachlicher Fähigkeitsbereich
Beispiel figuraler Fähigkeitsbereich
Beispiel Simulationsverfahren mentale Arbeitsprobe

Was macht gute eAssessments aus?
Es gibt zwei wesentliche Aspekte, die gute eAssessments ausmachen: Zum einen gilt für eAssessments genauso wie für alle anderen personaldiagnostischen Instrumente natürlich, dass die Testgüte der Verfahren überprüft und belegt sein muss. Gelungene eAssessments zeichnen sich zudem durch eine individuelle unternehmensspezifische und nach Recrutainment-Gesichtspunkten gestaltete Darstellung aus. Dies ist zum einen hilfreich, um auch in der Auswahlsituation Personalmarketing-Botschaften zu platzieren. Andererseits wird eine solche Anwendung von Bewerbern typischerweise besser akzeptiert. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Bewerber den Einsatz von webbasierten personaldiagnostischen Verfahren bei einem subjektiv wahrgenommenen Unternehmens- und Zielgruppenbezug sowie hoher Interaktivität deutlich besser einschätzen.

Zahlreiche Fallstudien realisierter Online-Assessments (z.B. Tchibo, Unilever, Gruner+Jahr, E.ON, Wieland-Werke, Media-Saturn etc.) finden sich auf der CYQUEST Website.

Joachim DiercksJoachim Diercks ist Geschäftsführer der CYQUEST GmbH – The Recrutainment Company. CYQUEST entwickelt webgestützte Instrumente für den Einsatz in Employer Branding und Personalauswahl („eAssessment“) für eine Reihe namhafter Unternehmen, Hochschulen und Einrichtungen. Er ist Gastdozent für Personalmanagement und webgestützte Eignungsdiagnostik an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Diercks studierte BWL an den Universitäten Hamburg und Berkeley und ist Autor verschiedener Fachartikel sowie regelmäßiger Referent bei Fachkongressen zu E-Recruiting- und Social Media-Themen. Er bloggt unter http://blog.recrutainment.de und twittert unter http://twitter.com/recrutainment.
Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung des in Kürze erscheinenden Artikels „Online-Assessments als Instrument der Personalvorauswahl“ (K. Kupka, N. Selivanova, J. Diercks) in der Digitalen Fachbibliothek „Vertrieb“ (S. Albers, V. Haßmann, T. Tomczak (Hrsg.))

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